MASTER OF FINE ARTS - MFA 2023

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27/10 14:00  —  25/11/23 18:00

MASTER OF FINE ARTS - MFA 2023
Ausstellung der Masterabsolvent*innen Freie Kunst 2023

ERÖFFNUNG:
26. Oktober 2023, ab 18 Uhr im spce | Muthesius

www.mfa-muthesius.de

mit: 
Dorothee Brübach, Paola Donato Castillo, Ma Fyu, Ana Gomez, Nina Hartmann, Marie Klabunde, Ana Kostova, Gabriela Lima da Cunha, Mascha Livanskaia, Amélie Munich, Isabel Murteira, Carolin Ott, Charlotte Payet, Elkin Salamanca, Alexei Vesselov

Kuratiert von Sven Christian Schuch

Ausstellungsorte:
* spce | Muthesius, Andreas-Gayk-Straße 7-11
* Flämische Straße 6-10
* Fabrikstraße 12

Öffnungszeiten:
Donnerstag - Samstag, 14 - 18 Uhr

Grafische Gestaltung: Káschem Büro
www.mfa-muthesius.de

Programm:
* immer Samstags:
Performative Aktivierung der Installation burning. aimless. unfulfilled. durch die Künstlerin Mia Fyu
Flämische Straße 6-10

* Samstag, 11. November, 15 Uhr
Öffentliche Führung durch die Aussstellung durch das Vermittlungsteam des spce | Muthesius

* Samstag, 25. November: Finissage
14 Uhr: Kuratorenführung (Beginn am spce | Muthesius)
16 Uhr: Performance von Alexei Vesselov (Ort: spce | Muthesius)
18 Uhr: Happening Dorothee Brübach im spce | Muthesius

Master of Fine Arts, so lautet die offizielle Bezeichnung, die Absolvent*innen des Fachbereiches Freie Kunst zu Abschluss eines erfolgreichen Studiums an der Muthesius Kunsthochschule erhalten.

Der akademische Titel Master of Fine Arts markiert eine Schwelle, ist zugleich Ende als auch Anfang in eine Zukunft, die mit Ungewissheiten verbunden ist und zwischen Selbständigkeit als freie/r Künstler*in bis zu einem Referendariat, dem klassischen Einstieg in die Lehrerlaufbahn, oszilliert.

Die ersten Schritte nach der Hochschule stellen gerade für Freie Bildende Künstler*innen eine Herausforderung dar. Es werden ganz neue Qualitäten abverlangt, vor allem die der Eigenpräsentation und Vermarktung der künstlerischen Arbeit, um auf lange Sicht eine ökonomisch-finanzielle Selbständigkeit und somit Existenzgrundlage für die künstlerische Praxis zu erlangen.

Die Präsenz der künstlerischen Arbeiten durch eine kontinuierliche Ausstellungstätigkeit und der Aufbau eines belastbaren Netzwerks an Kollaborateuren ist dafür unabdingbar. Sich eine Öffentlichkeit aufzubauen und sich im wahrsten Sinne einen Namen zu machen, braucht oft einen langen Atem.

Die diesjährige MFA-Ausstellung 2023 unterstützt die Absolvent*innen dabei und vereint 15 künstlerische Positionen. Sie findet rhizomartig verteilt an drei unterschiedlichen Orten ganz bewusst in der Kieler Innenstadt statt.

Ausgehend vom offiziellen Ausstellungsraum der Muthesius Kunsthochschule spce, werden zurzeit leerstehende Räume in der Flämischen Straße 6-10 und der Fabrikstraße 12 temporär eingenommen und durch Kunst aktiviert.

 

Lehrende des Fachbereichs:
* Prof. Andreas Greiner (Medienkunst)
* Prof.in Almut Linde (Interdisziplinäre künstlerische Praxis)
* Prof. Axel Loytved (Basisklasse)
* Prof.in Antje Majewski (Malerei), bis SoSe 2023
* Prof.in Isa Melsheimer (Freie Kunst und Keramik)
* Prof. Piotr Nathan (Freie Zeichnung und Druckgrafik)
* Prof. Stephan Sachs (Film / Time-Based Media)

Seit Oktober 2019 arbeitet Dorothee Brübach mit dem Material Pappmaché, dem sie ihre künstlerische Forschung widmet. Hierbei entwickelt sie eigene Testverfahren, um an und über die Grenzen eines plastischen, zu Modulen geformten, Materials zu gehen. Dabei wird das Material immer auch in Bezug zum Körper der Künstler*in gesetzt, der ihr als Richtwert dient.

In einem konzeptuellen, strukturierten, auf vorangegangene Ergebnisse aufbauenden Vorgehen bilden die Arbeiten letztlich eine stringente und konsequente Erzählung. Erforscht wird die geeignete Materialzusammensetzung und Herstellungsweise im Anliegen, zur stabilsten Form eines an sich erstmal instabilen Materials zu gelangen. Hierbei ist die Forschungsprozess, das Herausfinden, das Tun an sich, auch das Scheitern, bereits die künstlerische Arbeit und nicht erst die daraus hervorgehenden Objekte.

In Ausstellungssituationen werden daher immer wieder Forschungsschritte sicht- und nachvollziehbar gemacht. Dies geschieht durch Installationen aus zusammen- oder auseinandergebauten Pappmaché-Testobjekten, Zeichnungen, Videodokumentationen von Materialtests, Materialbelastungstests als Performances, schriftliche Forschungsnotizen, Lager- oder Produktionssituationen oder Soundinstallationen.

Ana Gomez verwendet in ihrer Arbeit Elemente des grafischen Ausdrucks wie Zeichnung und Text und integriert diese installativ. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit Themen wie Zugehörigkeit, Identität und Migration. Dabei ist der Kontext der Ausstellung, dessen oft elitären Ausschlussprinzipien und gesellschaftlichen Barrieren oft integraler Bestandteil der Arbeit, die Gomez bewußt ironisch zu brechen weiß.

„Für meine Arbeiten verwende ich im Allgemeinen Materialien, die leicht zu verarbeiten sind wie z.B Stoff, Papier, Garn und Draht. Daraus entstehen dreidimensionale und zweidimensionale Elemente wie Linie, Zeichnungen, Texte und Drucke. Auch Sprache ist für mich ein wichtiges Element. Sie ermöglicht es den Menschen, sich zu verbinden und auszutauschen. Ebenfalls ist sie Teil unserer Identität. Ich schreibe auf Deutsch, Englisch und Spanisch und reflektiere über die sozialen Lebensrealitäten, in denen ich gelebt habe. Sprache ist dabei Teil meines künstlerischeren Konzepts.“

“Where do you stand?” (2022) ist eine Installation, die aus drei baugleichen Fahnen besteht. Jede Fahne hat einen aufgedruckten Text mit unterschiedlichen Phrasen. Die Texte stammen von der New Yorker Autorin Fran Lebowitz. Sie werden in einer einfachen und geradlinigen Weise präsentiert. Durch die Darstellung im Stil eines Werbebanners soll die Aufmerksamkeit auf die Texte gelenkt werden. Es handelt sich jedoch nicht um Plakatwände mit leeren Botschaften oder Werbetexten, sondern um starke Aussagen, die zum Nachdenken anregen. Das Werk lädt den Betrachter dazu ein, über die Texte nachzudenken und ein Gespräch über sie zu führen.

Nina Hartmann setzt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit dem ungleichen Machtverhältnis zwischen Mensch und Tier auseinander, und spiegelt die ausbeuterische Natur des Menschen teils schonungslos. In Multimedia-Installationen, Fotoarbeiten und Performances lotet sie nicht nur unseren ethischen Moralkompass aus, sondern nutzt ihre Stellung als Künstlerin auch um jenseits tradierter Pfade juristische Sachverhalte in Frage zustellen.

Die Klang-Installation You never listen but eat me (2021) zeigt ihre künstlerische Praxis exemplarisch. Zu hören ist „Fischgezwitscher“. Fische kommunizieren ähnlich wie Vögel über „Gesänge“ bzw. Tonabfolgen. Sie haben eine einzigartige Vielfalt an Mechanismen zur akustischen Kommunikation entwickelt. Diese Vielfalt findet sich sowohl bei den Mechanismen zur Klangerzeugung, als auch bei den Organen zur akustischen Wahrnehmung.

Die in ihrer Installation verwendeten Reusen bzw. Röhren wurden von den Tauchern von One Earth – One Ocean e.V und der SDA aus der Ostsee geborgen. Sie gelten als illegale Fangmethode u.a. für den europäischen Aal, der den besten Geruchssinn weltweit hat. Der Europäische Aal ist vom Aussterben bedroht. Der Aalbestand ist von 1980 bis 2000 um 99 Prozent zurückgegangen.

Der dreiminütige experimentellen Kurzfilm „l‘amour“ (2021) zeigt die Begegnung von Spitzschlammschnecken mit Blumen. Die Körper der Schnecken schmiegen sich an die Blüten und spiegeln die Formen der Blätter. Die Filmmusik im Slowjazzstil unterstützt die merkwürdig romantische Stimmung zwischen den Schnecken und den Blüten.

Gabriela Lima da Cunha: „Sowohl eine Landschaft, die wir zum ersten Mal besuchen, als auch eine, die wir normalerweise besuchen, kann uns verwandeln, insbesondere wenn wir anwesend sind, um diesen Ort wahrzunehmen. Durch Malerei, Aquarelle und Künstlerbücher erforsche ich die Landschaft und ihre Beziehungen zur Erinnerung, Wahrnehmung und Reise.

Seit ich mich mit diesem Thema beschäftige, wurde mir klar, wie subjektiv und affektiv es ist und ich fragte mich, was ist schließlich eine Landschaft? Ich bin in einer Großstadt in Brasilien geboren, habe aber meine Kindheit auf dem Bauernhof meiner Großeltern verbracht, wo ich mit einer Landschaft gelebt habe, die mich noch heute prägt. Ich war in Kontakt mit der Natur und ihren verschiedenen Rhythmen, und das hat meine Sicht auf die Landschaft maßgeblich verändert.Die Erforschung dieser Welt, in der wir uns befinden, hat mich bewegt und versucht, eine Sensibilität für Orte, lebende und nicht lebende Wesen, die mir nahe sind, zu vermitteln. Als reisende Künstlerin konzentriere ich mich nicht darauf, einen bestimmten Ort darzustellen, sondern die Landschaft von einem Ort der Zuneigung und Wahrnehmung aus zu reflektieren. Die Landschaft bringt uns zum Nachdenken, sie weckt nicht nur Gedanken sondern auch Gefühle und Empfindungen.

Ich will nicht die Orte, die ich besucht habe, ordnen oder kategorisieren, sondern über Erfahrungen nachdenken, um neue Wege zu finden, in der Welt zu sein. Die Arbeiten bilden eine Konstellation von verschiedenen Orten und Erfahrungen und dienen als eine Erinnerungsaktivierung, in dem es gleichzeitig möglich ist, neue Landschaften zu imaginieren.“

Carolin Ott setzt sich seit 2019 mit dem Thema invasiver Arten skulptural auseinander. In ihrer Arbeit werden bekannte Taxonomien zwischen pflanzlichen und tierischen Körperlichkeiten in ein ambivalentes Verhältnis gesetzt. Das Sammeln von naturwissenschaftlichen Informationen über botanische Grundformen und zoologischen Bauplänen lässt neue Formenfragmente der Natur entstehen.

Basierend auf diesem Thema entsteht aus keramischen und gläsernen Skulpturen eine neue Biozönose – Hybridsysteme, die zu wachsen scheinen. Die wachsenden Formate, die während des Masters entstanden sind, sollen mit ihrer Größe ausufernd und übergreifend sein. Invasiv, um einem Menschen gegenübertreten zu können.

Porzellanlarven in Petrischalen stellen formal das Gegenteil zu den großen Formaten dar,

setzen jedoch besonderen Fokus auf Entwicklung und Wachstum der Hybride. Die Glasobjekte repräsentieren das aktuelle Thema Verpuppung und Häutung: Die Hybride sind abwesend, die Hüllen nur noch vage Abbilder freigesetzter Arten.

Alexei Vesselov: »Irgendwann wird es zu etwas führen, aber momentan ist es gut so«, Musikalisches Performance-Stück für Kontrabass, Stimme und Elektronik

Partitur, 20 DIN A4 Blätter, Bleistift, Collage Alexei Vesselov, 2022

Stimme – Alexei Vesselov

Kontrabass – Heiko Maschmann

Ein Bühnenstück, ein akustisches Kunstwerk mit einer erzählerischen Komponente. Die Geschichte erzählt von einem Gefühl der warmen Nostalgie, der Suche nach dem Unerfüllten und einer sanften Traurigkeit. Dieses Gefühl ist sehr individuell, aber gleichzeitig sehr konkret und jedem vertraut.

Alexei Vesselov wird im Verlauf der Ausstellung alle drei Standorte der diesjährigen Master of Fine Arts Ausstellung als Resonanzkörper nutzen, um den Text seines musikalischen Performance-Stücks Irgendwan wird es zu etwas führen, aber momentan ist es gut so immer wieder anders zu verräumlichen. Die Räume werden in Beschall genommen, der Text wird immer wieder aktiviert, der Ausdruck der Präsentation immer neu erprobt.

Als Spur für den Betrachter dient in der Abwesenheit des Künstlers ein Notenständer mit der Originalpartitur aus 20 Blättern, die mit den persönlichen Notizen des Künstlers gespickt zu Zeugen der Formfindung von Wörtern und Tönen zu einem Konzert werden. Sie versuchen, die Flüchtigkeit, die jeglicher theatralen Darbietung innewohnt, eine Materialität zu geben, im vergeblichen Versuch, daran festzuhalten bzw. es wieder performen zu können.

Zur Finissage wird das Stück dargeboten, in welcher Form und auf welcher Bühne, wird sich erst im Laufe der Ausstellung herausstellen.

Mia Fyu: Über Jahrhunderte hinweg waren Frauen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer vermeintlichen “Natur” phallozentrischen Ansichten (Frau als “Andere”, als “Mangelwesen”, als “Objekt”) ausgesetzt, die ihre literarischen und schöpferischen Fähigkeiten in Frage stellten. Mia Fyu’s burning. aimless. unfulfilled. befasst sich mit weiblichem Begehren in brieflicher Form, durchdrungen mit eigenen Erfahrungen und inspiriert von Hélène Cixous‘ Konzept der écriture féminine. Das performativ-partizipative Ausstellungskonzept zielt darauf ab, weibliches Schreiben und Begehren als Instrumente der Subversion innerhalb patriarchaler Strukturen zu beleuchten und lädt Besucher*innen ein, selbst zum schreibenden Subjekt zu werden.

Dabei nutzt Fyu autofiktionale Briefe an frühere und gegenwärtige Begehrte jeglichen Geschlechts, um die Beziehung zwischen weiblichem Schreiben und ihrem eigenen Begehren zu erforschen. Ihrer Arbeit ging eine medientheoretische Analyse der Serie “I Love Dick” voraus. Ähnlich wie Chris Kraus verfasst Fyu selbst private Briefe an die Objekte ihres Begehrens, die sie anschließend ausstellt. Ihre Briefe verflechten dabei Fiktion und Wirklichkeit und ermöglichen Fyu eine Erkundung ihres Begehrens jenseits phallokratischer Vorstellungen.

Durch eine ergänzende, audiovisuelle Auseinandersetzung entstand der Kurzfilm In the Realm of Untamed Dogs (2023), der auf einem ihrer Briefe bzw. Gedichte basiert. Der Film erzählt die Transformation eines hundeähnlichen, domestizierten Wesens, das sich gegen gesellschaftliche Erwartungen auflehnt, Identitätskategorien herausfordert und ein Dasein außerhalb androzentrischer Normen begehrt. Der Film beschreibt auf poetische Weise eine transformative Reise zur Selbsterkenntnis und zum intrinsischen Wandel, hin zu einer Rückkehr zu einer wilderen Natürlichkeit. Dabei erkundet er Themen wie Identität, Autonomie, sexuelles Begehren und weibliche Selbstermächtigung im metaphorischen Kontext der ungezähmten Hunde.

Mascha Livanskaia fokussiert in ihrem Werk die Komplexität des Zusammenspiels unserer Sinneswahrnehmungen und deren höchst individuelle Auslegung, die zu dem führt, was wir einen „Eindruck“ nennen. Sich dieser Thematik multimedial zu nähern, wäre durchaus naheliegend, beispielsweise mit einer Installation, die die unterschiedlichen Sinne stimuliert; stattdessen entscheidet sich die Künstlerin für die tradierte, uns über die Jahrhunderte lieb gewonnene Technik der figurativen abbildenden Malerei und somit für das rein Visuelle.

Die Modelle ihrer Portraits sind dabei non-fiktiv - ob der Kontext, in den sie ihre Protagonisten setzt, es auch ist, oder ob es ihr eigener oder der der jeweils dargestellten Figur ist, erschließt sich uns nicht.

Wir sehen: Duft, Berührung, Bewegung, Spiegelung. Sehen wir Musik? Könnte es eine dunkle Assoziation sein, die sich über das Bild legt? Oder vielleicht ist es Schwindel, der die Sicht einschränkt? Vielleicht auch ein überbordendes Gefühl, das alles Andere überstrahlt?

Livanskaia selbst bezeichnet ihr Bildraumkonzept als „mental layering“. Der zunächst naheliegende Schein trügt, dass das von ihr dargestellte Sujet durch die vertraute Art der figurativen Inszenierung im Bild leichter und eindeutiger rezipiert werden könnte. Vielmehr ist es gerade die gewollte Ambiguität und Vielschichtigkeit von Livanskaias Werken, die schlussendlich die Beschränktheit des Visuellen zu Tage treten lässt - oder wird hier gar behauptet, dass sich unsere individuelle Wahrnehmung von Welt niemals deckungsgleich vermitteln lassen kann?

(Text von Hellen Stoffers)

Marie Klabunde: „In meiner künstlerischen Arbeit begebe ich mich auf die Suche nach Dingen und Situationen, die dem alltäglichen Blick gewöhnlich entgehen. Auf spielerische Weise versuche ich, den gelernten Blick unserer Zeit, der auf Wiedererkennung, Zuordnung, Zweck und Nutzen, Wert und Sinn geschult ist, hinter mir zu lassen und auf Wegen, die nicht der gängigen Norm entsprechen, die Selbständigkeit der Dinge zu entdecken – etwa durch den jahrelangen Besuch von Müllcontainern hinter Supermärkten, Betrieben und Produktionsstandorten, durch das Durchstreifen von verlassenen Gärten und Lauben, Abrisshäusern, Baustellen und Sperrmüllbergen.

Für meine Arbeiten verwende ich gefundene Gegenstände aus Müllcontainern, Industrieabfällen und verlassenen Orten. Ich sammle diese Dinge ein, sortiere und ordne sie. Dadurch, dass die Gegenstände und Materialien durch ihre Entsorgung schon ihren ursprünglichen Kontext abgelegt haben, werden sie in meiner Sammlung frei, etwas Neues, vielleicht Eigenes zu sein. In dieser Freiheit erkenne ich in ihnen eine Selbständigkeit, die ich versuche, in meinen Arbeiten hervorzuheben, sodass der besondere Charakter und die individuelle Materialität sichtbar werden.

Bei dem Fundstück an sich geht es mir nicht um die Spur, die uns auf den vergangenen Kontext hinweist, sondern für die Fundstücke selbst um eine gewisse Freiheit des Ausdrucks sowie um die Chance einer ungebundenen Perzeption für den Betrachter.“

Amélie Munich hat sich gefragt, wie ein Werk in einem Ausstellungsraum „prendre place” (Platz nehmen) kann. Dieser Ausdruck „Platz nehmen“ auf Französisch bedeutet „einen Raum einnehmen“, aber auch „Show machen, zeigen und sich zeigen“. Ob durch Handlungen oder Wahrnehmungen, es geschieht eine ganze Beziehung zum Körper und zum Raum. Symbolisch und in den Augen der Künslterin ist diese Beziehung auf der Bühne des Theaters am ausdrucksstärksten und lebhaftesten.

Das ganze Vokabular der „Inszenierung“ und „Theatralik“ wird dann zu einem Werkzeug, das Munich in ihren Installationen verwendet. Doch das szenografische Prinzip „prendre place“ erfordert einen Rahmen. So dienen Dekor und Bühne als Rahmen. Darüber hinaus verkörpern sie einen Ort der Schöpfung, Phantasie und immensen Wahrnehmungen.

Isabel Murteira: Was mich an der Malerei am meisten fasziniert und interessiert, ist die Möglichkeit, besondere Universen zu schaffen, die ein Gefühl der Fremdheit, des Fragens und des Geheimnisses wecken.

Die beiden Malereien der Master of Fine Arts Ausstellung 2023 gehören zu einer Serie von Gemälden, die in den beiden Studienjahren an der Muthesius Kunsthochschule entstanden sind. Sie sind die letzten beiden Gemälde dieser Serie und bilden in gewisser Weise den Endpunkt meiner Reise an der Muthesius.

Somit stellen beide Bilder eine Idee dar, die ich vor kurzem zu erforschen begonnen hatte. Ziel dieser Werke ist es, die Beweglichkeit der Gemälde als einzelne heterogene Objekte zu thematisieren. Demzufolge sollte dieses Konzept einem die Möglichkeit bieten, mit der Leinwand zu spielen wie man mit einem Puzzle spielen würde. Dadurch sollen die Gemälde auf verschiedene Art und Weise, oder sogar einzeln, dargestellt werden können.

Thematisch erforschen diese Gemälde dasselbe Universum wie vorherige Arbeiten – die Darstellung einer parallelen Dimension, die eine Mischung aus fiktiven und realen Situationen, Figuren, Orten und Objekten im selben Raum auf der Leinwand zusammenführt. Beide zeigen ein Selbstporträt, aber in einer simpleren oder sogar „cartoonisierten“ Weise, was dem Gemälde einen spielerischen und leichten Ton verleiht.

In Tapestry of Parallel Dreams (2023) erscheint die Figur des Selbstporträts zentral in einer Kapsel mit Fischaugeneffekt, gekleidet in heiteren Tönen, die im Kontrast zum geheimnisvollen Blau des Hintergrunds stehen. In Nocturnal Artifacts (2023) erscheint neben dem Selbstporträt eine neue Figur auf dem Bild. Wie bei Tapestry of Parallel Dreams wirken diese Figuren dadurch eingekapselt oder sogar eingerahmt, so dass sie den Betrachter direkt anschauen. Der geteilte Hintergrund ist oben ebenfalls dunkel. Aus der Dunkelheit taucht jedoch ein Neongrün auf, fast so, als wäre es die Spur eines radioaktiven Produkts, welches das kubische Objekt und den Rahmen umgibt und hervorhebt.

Diese Bilder rufen durch ihre leuchtenden Farben und Farbverläufe eine gewisse „galaktische“ Atmosphäre hervor und vermitteln das Gefühl, dass sie zu einem Videospiel aus den 90er oder 2000er Jahren gehören könnten.

Ebenso wie alle anderen Gemälde dieser Serie offenbaren und unterstreichen auch diese Bilder mein Interesse an der Schaffung eines Bildes, das für den Betrachter ein Rätsel darstellt und ihn dazu „zwingt“, es auf seine eigene Weise zu interpretieren und seine eigene Erzählung dazu zu konstruieren.

Charlotte Payet: „In meiner künstlerischen Auseinandersetzung faszinieren mich die interaktiven Energien und Kräfte, die sich zwischen zwei Dingen in meiner unmittelbaren Umgebung abspielen. Dazugehören vor allem menschliche Beziehungen, chemische Zusammensetzungen und der Kreislauf unseres Ökosystems.

Dabei betrachte ich den Menschen immer ganzheitlich als Mikrokosmos im Makrokosmos. Die Unsichtbarkeit dieser Wechselwirkungen für das menschliche Auge ist für mich äußerst reizvoll. Bei der Konzeption meiner Arbeiten tauche ich in diese Realitäten ein und versuche, sie künstlerisch umzusetzen. Diese Synergien tragen zum dreidimensionalen Charakter meiner Kunstwerke bei und ergänzen sie. Der Betrachter kann sich spielerisch mit den abstrakten Energien auseinandersetzen und zu eigenen Assoziationen gelangen.

Meine Materialforschung basiert auf Plastikflaschenabfällen aus meiner unmittelbaren Umgebung, da es in Luxemburg noch kein ausgereiftes Mehrwegsystem gibt und bilden die Grundlage meines Materialpools. Das Ergebnis sind Arbeiten aus industriell eingefärbten PET-Flaschen, die zu einer verschmolzenen oder verflochtenen Oberfläche werden - oder räumliche Skulpturen. Das Sammeln von pfandfreien PET-Flaschen aus der Region ermöglicht es mir, einen Teil aus dem Konsumkreislauf herauszunehmen und zu recyceln. Durch das Arbeiten mit synthetischen Materialien verleihe ich den Plastikflaschen nach ihrer funktionalen industriellen Nutzung ein zweites künstlerisches Leben.

Plastikflaschen sind aufgrund ihres Zersetzungsprozesses, der etwa 450 Jahre oder länger dauert, ein sehr interessantes Material für mich geworden. In meiner Generation fühle ich mich verantwortlich, den Kreislauf unserer Wegwerfgesellschaft zu durchbrechen und die gesammelten Materialien neu zu definieren. Daher ist die Kombination konventioneller Materialien mit zeitgenössischen, modernen Rohstoffen, wie Plastikflaschen oder PETG aus dem Industriedesign, für mich nicht mehr weg zu denken.

Der transparente Kunststoff, der durch erhitzte Luft und selbst erstellte Tonnegative in seine Form gebracht wird, unterstützt ebenfalls die Idee des schwer Greifbaren auf und gibt dem ganzen eine Form. Außerdem sind die Eigenschaften des Kunststoffs für einen harmonischen Dialog zwischen Zwei- und Dreidimensionalität optimal.

Vor allem aber fing ich an, auf skulpturale Weise an zweidimensionalen reliefähnlichen Flächen zu arbeiten, sodass das transparente Material der Kunststoffflaschen auch schnell einmal mit Glasoberflächen verwechselt werden kann. Durch das Hinzufügen von Farbe auf der transparenten Oberfläche oder die Nutzung von industriell eingefärbten PET-Flaschen entsteht schon fast eine „räumliche Malerei“, die bunte Schatten auf den Boden und die Umgebung wirft und dem Betrachter in eine ganz eigene Dimension versetzt, die ihm den Raum zur Reflexion und Interpretation des Kunstwerks gibt. Außerdem unterstützt es die Leichtigkeit und Filigranität des Materials, sodass die Arbeiten fast wie Schwerelos erscheinen.“

Paola Donato Castillo ist in ihren künstlerischen Themen breit aufgestellt und sehr experimentierfreudig. Ihre Kunst ist ihr Werkzeug, sich aktiv Fragestellungen zu nähern, diese mit den Mitteln der Kunst zu erforschen, aufzubrechen. Durch die Konzentration auf Details baut sie für sich selbst (und andere) Wege, sich durch eine aufgrund der medialen Informationsflut immer komplexer erscheinenden globalen Welt zu navigieren.

Ihr Arbeiten zeichnet sich durch einen interdisziplinär wissenschaftlichen Ansatz aus, der die Limitierung auf ein Medium ausschließt. In ihren Projekten arbeitet sie multimedial mit Malerei, Zeichnung, Film, Animation, Sound, Skulptur und verwebt die einzelnen Elemente zu multisensorisch sinnlich-erfahrbaren Installationen. Sie beschreibt sich als „Erforscherin natürlicher Prozesse“, ihre künstlerische Praxis als eine Annäherung an biologische Mechanismen.

Ana Kostova: In ihrer künstlerischen Arbeit erforscht Ana Kostova die Beziehung zwischen Malerei undSkulptur und versucht, die Grenzen zwischen den beiden Disziplinen zu verwischen. Abstrakte Formen und Farben sind in ihren Installation erkennbar und führen zu verschiedenen kunsthistorischen Assoziationen. Dabei baut sie auf der Erkenntnis, dass geometrische Formen eine universelle Sprache bilden und in vielen Kulturen vorkommen.

Das Masterprojekt “Emblemata” präsentiert eine Rauminstallation, bestehend aus Wandmalereien und einzelnen Objekten. Ein “Emblema” ist ein zentrales Motiv in römischen Mosaiken, die in der Bischofsbasilika aus dem 4. Jahrhundert in Plovdiv (Bulgarien) verwendet wurden. Sie zeigen hauptsächlich figürliche Kompositionen, umgeben von komplexen geometrischen Formen und Rosetten.

Von diesen Mosaiken ließ sich Kostova inspirieren, um ihre eigenen abstrakten Kompositionen zu erschaffen. Sie präsentiert die abstrakten Formen in einem malerischen Raum, der mit Objekten gefüllt ist. Durch die farbigen Wände und die Flächigkeit der malerischen Skulpturen kann die gesamte Installation als dreidimensionales Gemälde betrachtet werden. Eine der Kompositionen wird als Paravent mit Ausschnitten präsentiert, wodurch die einzelnen Ebenen sich je nach Blickrichtung der Betrachter*innen überlappen. Wenn man sich im Raum bewegt, entdeckt man immer wieder neue visuelle Kombinationen.

Elkin Salamanc: Alles über Eier / Alles über Wellen

Ein Eiwesen setzt sich aus drei Elementen zusammen: Isolation, der Haltung und dem Kontext. Isolation führt zu Einsamkeit, Selbstabsorption und Schubladendenken. Die Haltung der Figur rührt aus Schmerz, übermäßigem nachdenken und Zerbrechlichkeit. Der Kontext umfasst die Vorstellung des Ichs, welches wir auf andere und unsere Umwelt projizieren. Dies wird verstärkt durch unser kompliziertes Verhältnis zu den neuen Medien in Bezug auf Hyperinformation und Reizüberflutung. So entstehen lauter Eiwesen die in ihrer geteilten Einsamkeit ironischerweise ein Kollektiv bilden. All diese Elemente sind in einer Fiktion verwoben, die manchmal autobiografisch, manchmal unpersönlich sind. Der Betrachter wird aufgefordert sich selbst zu fragen, ob er selber vielleicht auch mal ein Eiwesen war oder ist.

Teil dieser Veranstaltung
Führung MFA 2023 11/11/23 78
Kuratorenführung MFA 2023 25/11/23 79
Performance Alexei Vesselov 25/11/23 80
Happening Dorothee Brübach 25/11/23 82
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